Die Verlockung ist gross, Grünfutter in der Hochsaison der Vegetation über das Mass den Jungtieren zu verteilen. Doch Jungtiere können nicht alle aufgenommenen Nährstoffe im Futter ausreichend verdauuen. Der Verdauungsapparat muss sich immer erst an ein Substrat anpassen.
Der Uebergang von der Milchernährung zu Festfutter stellt jedes Jungtier vor eine Herausforderung. Die enzymatische Verdauung muss sich an die rohfaserreiche Kost einmal adaptieren; diesen Prozess soll der ZüchterIn aber keinesfalls forcieren, sondern in kleinen Schritten mit kleinen Mengen über einen mehrwöchigen Zeitraum entwickeln lassen.
Umstellung auf feste Nahrung
Untersuchungen haben gezeigt, dass um den 21. Tag der Laktation (= Säugezeit) die Milchproduktion am höchsten ist, nachher geht sie nach und nach zurück. Kein „Futtermittel“ ist so hoch verdaulich und weist für das Wachstum der Jungtiere eine bessere Nährstoffkombination auf wie die Milch; sie nährt und schützt zugleich.
Mit zunehmenden Alter der Jungtiere versiegt die Milchquelle der Mutter und damit auch ein Schutz.
Ab der dritten Woche müssen die Jungtiere für die Verdauung der Futtermittelkomponenten verschiedene Enzyme zur Verfügung stellen. Eine Untersuchung an der veterinär-medizinischen Fakultät, Bukarest (Rumänien) zeigte eine Amylaseaktivität der Bauchspeicheldrüse am 15. Tage nach der Geburt von 11580 Einheiten; am 90.Tag lag dieser Wert bei 58 960 Einheiten bei den Kaninchen. Das heisst, dass das Kaninchen beispielsweise Stärke mit zunehmendem Alter besser verdauen kann.
Den Prozess der Umstellung von der Milch zur festen Nahrung muss zusätzlich durch den Aufbau der Mikroflora im Darm begleitet werden. Diese bauen vorwiegend die Fasern ab, wenn sie im richtigen Verhältnis vorhanden sind.
Viele Jungtiere in den Ställen
In kaum einer anderen Jahreszeit steht aus Sicht der Grünfütterung so viel Futter zur Verfügung wie im Mai. Jung und schnell gewachsenes Futter ist sehr schmackhaft und vor allem Jungtiere können sich selbst nicht einschätzen und nehmen davon zu viel auf. Das Verdauungssystem ist auf den meist plötzlich hohen Anfall an Grünfutter nicht vorbereitet; das heisst enzymatische und mikrobiologische Verdauungsprozesse können noch gar nicht richtig funktionieren. Die Folge davon ist, dass sich Verdauungsprobleme einstellen, die umso schmerzlicher sind, je mehr Tiere davon betroffen sind. Nicht selten kommt es zu Todesfällen, die umso gravierender sind, wenn über das Exterieur oder die Zeichnung mögliche Spitzenausstellungstiere im zarten Alter bereits vermutet werden.

Deshalb gilt es konsequent keine Ueberfütterung anzustreben; weder mit Grünfutter noch mit Kraftfutter. Züchter, die sich auf eine Gras basierte Fütterung abstützen, beginnen mit kleinen Dessertportionen und erhöhen die Mengen kontinuierlich. Mit dieser Strategie gewöhnen sich nicht nur die Jungtiere, sondern auch die Alttiere an die neu zusammengestellte Ration. Und das Körpersystem kann die für Verdauung notwendige Mikroflora aufbauen.
Vorbeugen im Mai ist immer besser
Es ist immer gut, wennProbleme unter Züchtern besprochen werden, bevor sie aktuell sind. Fragen an Züchterkollegen betreffend Durchfallpropylaxe ergeben interessante Diskussionen und häufig sind auch wirklich gute Tipps darunter, die im eigenen Stall einmal angewandt werden können. Eines ist klar, betroffen davon ist jeder Züchter und sich darüber zu informieren, bevor es „knallt“ ist auf jeden Fall besser.
In der Aufzucht der Kaninchen spielt das Wasser eine wichtige Rolle. Häufig wird das Wasser von den Jungtieren durch unvorsichtige Tritte im Stall verschmutzt; deshalb gilt immer, im Minimum das Wasser einmal pro Tag vollständig zu ersetzen. Das Wasser ist der wichtigste Nährstoff und dieser darf auf keinen Fall mit Keimen belastet sein. Aehnliches gilt für das Kraftfutter. Ein Futtergeschirr, das nebst den Pellets auch noch kleine Kotballen enthält, gehört auf den Mist. Am besten ist es, den Tieren nur soviel Futter vorzulegen, wie die Jungtiere bis zum nächsten Fütterungsgang auch aufnehmen können. Diese Art des Fütterungsmanagements gibt dem Züchter immer gleich einen ersten Ueberblick über den Gesundheitsstatus seiner Kaninchen. Denn ist plötzlich einmal ein Futtergeschirr nicht sauber ausgefressen, so gibt dies unverzüglich den ersten Hinweis, dass mit den Jungtieren etwas nicht stimmt.

Heu bleibt eine zentrale Futterkomponente
Grosse Beachtung sollte dem täglich nachzufüllenden Heu zugemessen werden. Schlecht riechendem – unter Umständen gar mit giftigen Pflanzen versehenes – Heu von wenig bewirtschafteten Flächen ist grösste Aufmerksamkeit zu schenken.
Nicht selten wird der Eindruck zusätzlich gefördert, dass Heu von wenig intensiv genutzten Flächen besonders gut für die Kaninchen sei. Da gibt es immer wieder Beispiele von Kaninchenhaltern, die Probleme mit solchem zugekauften Heu melden, sei es wegen Pilzen, vergrauten Stellen, giftigen Pflanzen …
Sauberkeit und Ordnung gilt in jedem Stall. Meist haben die Tiere bestimmte Ecken, an denen versäubert wird. Diese Kotplätze sollten regelmässig mit Einstreumaterial zugedeckt werden, weil sich an diesen Stellen am meisten Keime befinden. Werden diese Stellen möglichst sauber gehalten, sodass die Läufe der Kaninchen trocken bleiben; so wird die Uebertragungskette der Keime eingeschränkt, um nicht zu sagen unterbrochen.
Unterstützend während des Wachstums eingreifen
Die Züchterin und die Züchter haben nicht alles während der Aufzucht in der Hand. Aber sie sollten alles unternehmen, damit sie sich selbst nicht Vorwürfe machen müssen, wenn im Bestand plötzlich Probleme auftreten. Meist bleibt es bei Vermutungen bei Tierausfällen und der eigentliche Grund lässt sich nicht immer herausfinden.
Die Immunabwehr zu stärken ist eines der Hauptanliegen vieler Züchter. Einerseits wird dieses Vorhaben über eine massvolle Hygiene erreicht und andererseits sind Ergänzungen mit vielen Nährstoffkombinationen möglich, die helfen können. Im Vordergrunde stehen hier Vitamin- Spurenelementmischungen und pflanzliche Präparate, die sporadisch bei Alttieren und etwas häufiger bei Jungtieren in der Wachstumsphase eingesetzt werden sollen.
Möglichst vielfältig füttern! Von allem etwas, aber nie so viel, dass sie sich die Tiere nie überfressen können. Auch Saftfuttermittel sollen so portioniert werden, dass es nicht tagelang im Stall herumliegt. Andere Keime freuen sich am beginnenden Verderbnisprozess. Nicht selten machen sich die Jungtiere aber an diese im Abbau befindlichen Ueberbleibsel.
Fazit: Immer genügend qualitativ gutes Heu und immer frisches Wasser, dann werden uns Züchter/Innen die Jungtiere in diesem Jahr viel Freude bereiten.
Enzyme helfen bei der Verdauung
Enzyme sind Katalysatoren, die einen biochemischen Prozess während der Verdauung beschleunigen. Allein unter dem Begriff der Amylasen gibt es zahlreiche verschiedene Stärke abbauende Enzyme. Um die in der Nahrung (Futter) vorhandene, pflanzliche Stärke zu verwerten, müssen die grossen Stärkemoleküle zuvor in kleinere Einheiten zerlegt werden. Und zwar gibt es verschiedene Amylase-Typen, welche die verzweigten Stärkemoleküle jeweils an ganz bestimmten Stellen zerschneiden; dabei entstehen Einfachzucker (Traubenzucker), Fruchtzucker und Mehrfachzucker (Maltose).
Bei der Lipaseaktivität stellten die Forscher genau das Gegenteil fest. Lipasen sind Enzyme, die von Lipiden wie Glyceriden oder Cholesterinestern freie Fettsäuren abspalten (Lipolyse). Diese Enzyme spielen physiologisch eine wichtige Rolle, indem sie die Fettverdauung der Milch bewerkstelligen; Kaninchenmilch ist äusserst fettreich (12 % im vgl. Kuhmilch mit 3.5 %). Die Lipaseaktivität ist beim Kaninchen am 15. Tag am höchsten und nimmt nachher kontinuierlich ab.
Enzyme werden dem Kaninchenfutter aus folgenden Ueberlegungen beigemischt:
- bessere Phosphatverwertung im Futter durch Abbau von Phytinsäure.
- bessere Futterverwertung durch Aufschluss von Stärke und Eiweißen.
- bessere Verwertung von normalerweise unverdaulichen Stoffen (verschiedene Stützsubstanzen der pflanzlichen Zellwände) möglich.
Ein weitere, wichtige Enzymgruppe ist das Pepsin, das für den Abbau der mit der Nahrung aufgenommenen Proteinen zuständig ist; diese Enzymkonzentration ist für die Kaninchen während der ganzen Entwicklung etwa gleich.
Zusammenfassend die Tipps für Mai
-Wenn viel Grünfutter zur Verfügung steht, verleitet es die Züchterschaft, den Jungtieren auch viel zu geben; doch das ist ein Fehler.
-Das Verdauungssystem muss in den ersten Wochen an die Futterarten angepasst werden (enzymatisch).Es gilt die Widerstandsfähigkeit der Jungtiere mit geeigneten Zusatzstoffen zu fördern und zu stärken.
-Die Futtermenge (Pellets) muss bis zu nächsten Futtergang aufgefressen sein; so haben wir eine Kontrolle der Gesundheit. Kranke Tiere fressen nichts und werden vom Züchter/In schnell erkannt
Bildquellen
- Bild 2: Heinz Schmid
- Schöne Halme werden gerne gefressen: Heinz Schmid
- 2014-07-25 17.44.21: H.Schmid