Das andauernde Züchten von Kaninchen über Generationen in kleinen, geschlossenen Populationen – Rassen oder Farbenschläge – führt ausnahmslos zu einem höheren Inzuchtanstieg. Die Folgen  sind sinkende  Lebenskraft, verminderte  Fruchtbarkeit und schlechtere Jugendentwicklung.  Hinzu kommt das Erscheinen von Erbfehlern, die sich in Krankheiten oder Missbildungen zeigen.   

Wer sich mit der Inzucht befasst und weiss, welche Paarungen in seinem Bestand noch möglich sind, der wird über Jahre erfolgreich sein. Linienzucht ist kombiniert mit Inzucht; jedoch muss der Inzuchtgrad immer so tief wie möglich liegen. 

Was ist Inzucht?

 

Fragen wir nach dem Ziel der Inzucht, dann ist vieles einsichtiger. Es geht nämlich darum, die Qualitäten resp. Eigenschaften eines Kaninchens so zu festigen, dass sie sicher weitervererbt  werden.  Wenn ein  Kaninchen (Zibbe oder Rammler) relativ eng gezüchtet wird, kann dieses seine Eigenschaften stärker an seine Nachkommen vererben.  Zu hohe Inzuchtgrade können aber auch zum Gegenteil führen, indem negativ ausgeprägte Faktoren die Gesundheit der Nachkommen gefährden. So dürfen wir nicht mit einer ausgeprägten Zucht auf Schönheit das Wohl und die Gesundheit der Tiere gefährden.

Es gilt auch zu überlegen, dass der Anteil der Gene, die sich auf das Erscheinungsbild oder die Schönheit eines Kaninchens beziehen (womit sich die  Züchter tagtäglich befassen), nur einen verschwindend  kleinen Anteil der gesamten Gene ausmacht. Das Beispiel mit dem Vergleich Mensch und Schimpanse  kann dies verdeutlichen. Der Mensch stimmt zu 98 Prozent genetisch mit dem Schimpansen; lediglich 2 Prozent weichen davon ab und zeigen die Differenz zu unserem engsten Verwandten im Tierbereich …     

Der relative Inzuchtanstieg ist abhängig vom Geschlechtsverhältnis

 

Die Natur prägt ein Geschlechtsverhältnis  (männlich zu weiblich)  von  50:50. Der Mensch aber will die Natur überlisten und setzt – meist männliche Spitzentiere  – stärker in der Zucht ein.  Doch nicht immer vererben Spitzentiere die gewollten Eigenschaften. Je weniger männliche Tiere eingesetzt werden, desto schneller steigt der Inzuchtgrad besonders in kleinen Populationen.  

Formel: Relativer Inzuchtanstieg pro Generation:  ((1/ 8x Anzahl Rammler)+ (1/8x Anzahl Zibben))

Beispiel: Es werden zwei Rammler auf  20 Zibben gehalten: (1/8×2) + (1/8×20) = 0.06875 = 6.88%. Das bedeutet, dass dieser Bestand mit einem Inzuchtgrad von 6.88 Prozent pro Generation rechnen muss.

Die  folgende Tabelle zeigt den zu erwartenden relativen Inzuchtanstieg pro Generation in Abhängigkeit von der Zahl der zur Zucht verwendeten Rammlern und Zibben.

         Zibben 10 20 30 50 100 500
Rammler            
1 13.75 % 13.13 % 12.92 % 12.75 % 12.63 % 12.53 %
2 7.5 % 6.88 % 6.67 % 6.50 % 6.38 % 6.28 %
5 3.75 % 3.13 % 2.92 % 2.75 % 2.63 % 2.53 %
10 2.5 % 1.88 % 1.67 % 1.50 % 1.38 % 1.28 %
20 1.88 % 1.25 % 1.04 % 0.88 % 0.75 % 0.65 %
30 1.67 % 1.04 % 0.83 % 0.67 % 0.54 % 0.44 %
50 1.50 % 0.88 % 0.67 % 0.50 % 0.38 % 0.28 %

Die  Tabelle zeigt, dass der Wert des Inzuchtanstieges in erster Linie von der Zahl der Rammler abhängt, weil deren Anzahl in einem Zuchtbestand meist geringer ist.  Bleibt der Inzuchtanstieg  bei alleiniger  Zunahme der Zahl der Zibben (waagrechte Sichtweise) mehr oder weniger gleich, reduziert  er sich mit steigender Rammleranzahl   (senkrechte Sichtweise) doch deutlich.

Ein Farbenschlag einer Rasse hält zur 50 Zibben und 10 Rammler, das heisst, dass der Inzuchtanstieg pro Generation 1.50 Prozent beträgt. Wenn die Populationsgrösse in 20 Jahren nicht ausgeweitet werden kann, dann haben wir in einem solch geschlossenen System einen Inzuchtanstieg von 30 Prozent.

 

Effektive Zuchtpopulationsgrösse ist eindrücklich

 

Eindrücklich sind die Zahlen des Inzuchtanstieges der vorherigen Tabelle, doch weit eindrucksvoller sind die Werte der folgenden Tabelle, wenn die Grösse der effektiven Zuchtpopulation ermittelt wird. Die effektive Zuchtpopulation ist eine fiktive Grösse, die denjenigen Umfang einer theoretischen Population entspricht, deren gentische Vielfalt derjenigen der  tatsächlichen Zuchtpopulation entspricht.

Der Wert der effektiven Zuchtpopulation lässt sich ebenfalls aus der  Zahl der weiblichen und männlichen Zuchttiere berechnen nach folgende Formel:

Effektive Zuchtpopulation: ( 4 x Anzahl Rammler x Anzahl Zibben)/ (Anzahl Rammler +  Anzahl Zibben)

Tabelle: Effektive Grösse einer Population bestehend aus einer Anzahl Zibben und einer Anzahl Rammler

         Zibben* 10 20 30 50 100 500
Rammler*            
1 4 4 4 4 4 4
2 7 7 8 8 8 8
5 13 16 17 18 19 20
10 20 27 30 33 36 39
20   40 48 57 67 77
30     60 75 92 113
50       100 133 182

*Werte sind Angaben der Anzahl Zuchttiere

Nehmen wir eine Rasse mit einem Farbenschlag von 10 Rammlern und  50 Zibben. Der Wert von 33 besagt, dass  die genetische Vielfalt die der Nachkommengeneration zur Verfügung steht  nicht dem tatsächlichen Populationsumfang von 60 Zuchttieren entspricht, sondern nur einem theoretischen Wert von 33 Zuchttieren. Auch hier lässt sich zeigen, dass die Werte sehr stark von der Anzahl Rammlern abhängen. 

Was verstehen wir unter Inzuchtdepression ?

 

Es ist falsch zu glauben, dass mit einem höheren Inzuchtgrad in einem Stall eine bessere Zucht betrieben wird. Es gibt Merkmale, die in reinerbiger Form zu einer schlechteren Leistung führen als in mischerbiger. Inzuchttiere aber weisen einen ausgesprochenen hohen Anteil reinerbiger Allelpaare auf, was sich in einer  Abnahme der Leistung in diesem Merkmal zeigt. Je mehr ein Tier ingezüchtet ist, desto häufiger werden sich Inzuchtdepressionen zeigen. Besonders betroffen sind Merkmale mit tiefer Erblichkeit (= Heritabilität) wie zum Beispiel Fruchtbarkeit und Entwicklung der Jungtiere.

Mag die Schönheit die Kaninchen über Inzucht erhalten oder gar gefördert werden, die Fruchtbarkeitsleistungen sind es mit Bestimmtheit nicht. Unzählige Versuche bei Mäusen über mehrere Generationen bestätigen diesen Sachverhalt. Eine Inzuchtdepression ist demzufolge eine Minderleistung gegenüber dem Rassendurchschnitt.       

Gefahr der Inzucht steigt

Allein schon die Tatsache, dass eine  Eltern-Kind-Paarung (Vater mit Tochter  oder Mutter mit Sohn) zu einem Inzuchtgrad von 25  Prozent führt,  lässt Fragen offen, weil bei der Rasse oder bei jedem Farbenschlag noch der Populationsinzuchtgrad noch dazu addiert werden muss. Daraus liesse sich auch schliessen, dass mit abnehmender Züchteranzahl auch die Zahl der Rassen (Farbenschläge)  nicht ausgedehnt, sondern auch entsprechend reduziert werden müsste. Die Faszination des Züchtens aber lässt kaum solche Gedanken zu  …  

 

Erbfehler

Vater -Tochter- Paarung  und Mutter-Sohn- Paarung weisen einen  Inzuchtkoeffizienten von 25 Prozent auf.  Mehrheitlich werden Erbfehler rezessiv vererbt, das heisst, dass  ein Erbfehler erst in Erscheinung tritt, muss von beiden Eltern das Erbfehlergen weitergegeben werden. Sind Vater und Mutter noch verwandt miteinander und haben damit einen erhöhten Anteil  an gleichem Erbgut, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass beide Elterntiere Träger der Erbfehlers sind.  Geben sowohl der Vater wie auch die Mutter das Erbfehlergen  an ihre Nachkommen weiter, wird der Erbfehler sichtbar. 

Doch eines müssen wir noch festhalten, dass Inzucht nicht die Ursache  von Erbfehlern ist, aber sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese zum Ausdruck kommt.      

Inzuchteffekt auf die Merkmale der Wurfgrösse  beim Kaninchen

Inzuchtgrad ( %) Wurfgrösse  (Anzahl Jungtiere)
0.0 5.61  
25.0 5.57
37.5 5.26
50.0 4.87

Beurteilung der Inzucht

Nach Schlolaut: Enge Inzucht:         FI > 25 % Mässige Inzucht:    F 10 – 25 % Schwache Inzucht: FI    < 10%  
Fischen nach Wertvollem.

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Bildquellen

  • Foto 1: Heinz Schmid
  • Bild 1: Heinz Schmid

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